Kinder brauchen reale Menschen zum Lernen, keine Bildschirme

Stellungnahme von Prof. Dr. phil. Ralf Lankau zum „Konzept der praktischen Medienarbeit in städtischen Kindertageseinrichtungen“ (Stuttgart)

Zusammenfassung

Das medienpädagogische Konzept der städtischen Kindertageseinrichtungen Stuttgart ist ein prototypisches Beispiel für den dominanten Einfluss der IT- und Wirtschaftsverbände samt zugehöriger Stiftungen auf Bildungseinrichtungen. Anstatt die elementare Frage zu stellen, ob der Einsatz von Digitaltechnik in Kitas überhaupt sinnvoll ist und was damit bewirkt werden soll, wird ein technikdeterministischer und utilitaristische Ansatz publiziert, bei dem nur noch gefragt wird, wie und nicht ob bzw. ab welchem Alter und vor allem mit welchem Ziel und Nutzen Digitaltechnik eingesetzt werden soll – als müssten schon KITA-Kinder für MINT-Berufe vorgeprägt werden. Befragt man statt der kommerziellen Anbieter und ihrer fortschritts- sowie technikgläubigen Anhänger in Bildungseinrichtungen wissenschaftliche Institute wie das Karolinska-Institut oder den US. Surgeon General, ist die Antwort konträr.

Frühdigitalisierung schadet der sensomotorischen wie der sozialen, psychischen und geistigen Entwicklung von Kindern. Selbstentlarvend ist die Antwort des Jugendamts Stuttgart, das, hingewiesen auf die Stellungnahme des Karolinska-Instituts, mit dem erstaunlichen Satz antwortet: „In einem anderen Kontext mögen diese wissenschaftlichen Ansätze durchaus ihre Berechtigung finden, allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Einsatz von Medien innerhalb unserer Einrichtungen.“ Auf gut deutsch: Wir nutzen wissenschaftliche Expertise selektiv und nehmen nur die Ergebnisse zur Kenntnis, die die gewünschte Agenda unterstützen.

Verantwortungsvolle Medienkonzepte hingegen sorgen für eine (in der pädagogischen Arbeit) bildschirmmedienfreie Kita und Grundschule und fokussieren auf elementare und analoge Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen, Basteln, Werken …) und direkte, nicht medial vermittelte Kommunikation. Ein pädagogisch sinnvolles, den Bedürfnissen und Lebensalter der Kinder verpflichtetes Konzept findet sich exemplarisch beim Schulversager und späteren Nobelpreisträger für Physik, Albert Einstein: „Wenn Sie wollen, dass Ihre Kinder intelligent sind, lesen Sie ihnen Märchen vor. Wenn Sie wollen, dass sie intelligenter werden, lesen Sie ihnen mehr Märchen vor.“ Diese Kinder entwickeln Phantasie und Vorstellungskraft. Sie sind neugierig und offen für Unbekanntes und werden im Idealfall mutige Menschen, die sich angstfrei etwas zutrauen, weil man ihnen von Beginn an Freiräume im Denken und Handeln gelassen hat, wenn sie z.B. Märchen nachspielen oder sich eigene ausdenken statt maschinell vorgegebene Aufgaben nach vorgegebenen Mustern zu lösen.

Prof. Dr. phil. Ralf Lankau
Professor für Digitaldesign, Medientheorie und Ethik
Fakultät Medien | Hochschule Offenburg
Badstrase 24 | D-77652 Offenburg
Web: https://die-pädagogsichewende.de
eMail: die-paedagogische-Wende@futur-iii.de

Der ganze Beitrag als PDF (13 Seiten): Lankau: Stellungnahme Tabltes in Kitas (Stuttgart)